Unsere Themen im Juni 2024:
· Elisabeth-Klinik in Düppel eröffnet
· Straßenumbenennung scheitert in der BVV
· Kommunalpolitisches Frühstück zum Thema Verkehr
· Gedenken an die Opfer des Arbeiteraufstands in der DDR
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Liebe Leserinnen und Leser,
kaum ein Thema wird derzeit so leidenschaftlich und emotional diskutiert wie die Verteilung des knappen Stadtraums. Wohnungsbau oder Park? Freiräume erhalten oder nachverdichten? Fahrspuren und Parkplätze für Autos oder Fahrradwege? Oder kurz gesagt: Möchten wir Veränderung, oder soll doch am besten alles bleiben wie gehabt? Kaum jemand, der hier gleichgültig bleibt.
Die Bezirksverordneten von Steglitz-Zehlendorf sind derzeit mit zwei Projekten konfrontiert, die diese Dilemmata punktgenau widerspiegeln: Auf einem Grundstück zwischen Potsdamer Chaussee und Lissabonallee plant die die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) den Bau von rund 200 neuen Wohnungen, die durch Nachverdichtung und Aufstockung ermöglicht werden sollen. Schon weitaus länger wird zudem über die Zukunft des Kranoldplatzes in Lichterfelde Ost gestritten. Doch der Reihe nach.
Die Wohnhäuser in Düppel wurden ursprünglich von den Amerikanischen Besatzungstruppen zur Unterbringung der Familien ihrer in West-Berlin stationierten Soldaten errichtet. Nach deren Abzug gingen die Gebäude mit ihren großzügigen Freiflächen an die BIMA, die diese umfassend modernisierte und im Rahmen des Umzugs der Bundesregierung von Bonn nach Berlin an die Bundesbediensteten vermieten wollte. Nachdem das Interesse eher überschaubar blieb, wurden die Wohnungen auf dem freien Mietmarkt angeboten. Mittlerweile hat sich die Situation grundlegend gewandelt, der Mangel an Wohnraum ist dramatisch und Freiflächen knapp, Nachverdichten das Gebot der Stunde. Gleichzeitig befürchten all jene, die in den 1990er Jahren in die Siedlung gezogen sind, den Verlust von Bäumen, Licht, Spiel- und Parkplätzen. Busse seien schon jetzt überfüllt, Supermärkte und Arztpraxen zu weit entfernt, lauten weitere Argumente.
Gebaut wird trotzdem – Anfang 2025 soll es losgehen. Wir haben uns im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen dafür stark gemacht, dass Abstände und geplante Baumfällungen noch einmal überprüft werden, zudem werden wir uns bei der BVG für eine Taktverdichtung der Buslinien 112 und 118 einsetzen. Dennoch ist die Siedlung schon jetzt gut angebunden, durch die im Rahmen der Reaktivierung der Stammbahn geplante Wiedereröffnung des Bahnhofs Düppel-Süd werden sich zudem weitere schnelle Verbindungen ins Stadtzentrum ergeben. Angesichts der bestehenden Wohnungsnot hier nicht zu bauen wäre unverantwortlich.
Noch deutlich weiter von einer Realisierung entfernt sind die Ideen für eine Umgestaltung des Kranoldplatzes am Bahnhof Lichterfelde Ost. Derzeit ist die BVV mit zwei nahezu konträren Einwohneranträgen konfrontiert, die beide ihre ganz eigenen Vorstellungen für die Zukunft des (Markt-)Platzes mitbringen. Eine Initiative wünscht sich einen lebenswerten Platz mit Sitzbänken, Grünflächen und Bäumen, verkehrsberuhigt und familiengerecht, mit Fahrradwegen statt Parkplätzen. Die andere Gruppe fürchtet um die wirtschaftliche Existenz der Markthändlerinnen und -händler und fordert daher den Erhalt der Fläche genau so, wie sie bereits seit Jahrzehnten besteht, als zusammenhängende Asphaltfläche, ohne störende Hindernisse. Keiner der beiden Anträge dürfte in der BVV eine Mehrheit finden. Zusammen mit unseren Zählgemeinschaftspartnern FDP und Grüne haben wir daher in den vergangenen Wochen nach Wegen aus dieser Zwickmühle gesucht. Die zentrale Aufgabe besteht darin, eine Aufwertung des Platzes zu ermöglichen, ohne das Fortbestehen des Marktes zu gefährden. Das Ergebnis ist ein gemeinsamer “Ersetzungsantrag”, der am vergangenen Mittwoch in die BVV eingebracht wurde, und nun in den Ausschüssen beraten wird.
Wir sagen jedoch klar: Der Markt muss erhalten bleiben, und wir werden keinen Maßnahmen zustimmen, die dieses Ziel gefährden. Die Händlerinnen und Händler sind der Anker, der Menschen aus Berlin und darüber hinaus in den Kiez in Lichterfelde Ost zieht. Erfahrungen der Vergangenheit haben immer wieder gezeigt, dass die Verlagerung oder Verkleinerung zum Tod der Märkte führt – Beispiele in unserem Bezirk sind die ehemals beliebten Marktplätze am Steglitzer Damm und am Ludwig-Beck-Platz, die ebenfalls nach Umbaumaßnahmen heute nicht mehr existieren, beziehungsweise nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. Das darf sich in Lichterfelde Ost nicht wiederholen! Uns ist bewusst, dass dies den Spielraum für Veränderungen stark einengt. Dennoch sollten sich alle Verfechterinnen und Verfechter einer Umgestaltung klar machen, dass eine Beschädigung des Wochenmarktes auf radikale Folgen für den ganzen Kiez hätte: Nicht nur die Händlerinnen und Händler mit ihren Ständen würden ihr Auskommen verlieren, sondern auch die Gewerbetreibenden in den umliegenden Straßen – viele der kleinen, inhabergeführten Läden sind ohnehin schon durch steigende Mieten und die Konkurrenz durch den Online-Handel in ihrer Existenz bedroht.
Muss also alles bleiben, wie es ist? Nein. Wir sehen durchaus Spielraum für Verbesserungen. Insbesondere der Verkehr am Platz soll entschleunigt und sichere Wege für alle Verkehrsteilnehmenden geschaffen werden. Auch der Wochenmarkt wird zudem von einer besseren Aufenthaltsqualität profitieren, wie sie einzelne Bäume und Bänke schaffen können – so lange diese nicht die Stell- und Rangierflächen für die schweren und großen Verkaufsfahrzeuge der Markthändlerinnen und -händler beschneiden. Sichere und bequem erreichbare Parkmöglichkeiten möchten wir auch in Zukunft auf Teilen des Kranoldplatzes erhalten, zudem Fahrradabstellplätze neu schaffen. Vor allem aber sollen die konkreten Maßnahmen nicht über die Köpfe der Menschen hinweg beschlossen, sondern gemeinsam mit den Akteuren vor Ort diskutiert und ausgearbeitet werden. Dafür setzen wir uns ein.
Sie sehen: Es gibt kein immergültiges Richtig oder Falsch, kein pauschales Ja oder Nein. Immer mehr Menschen möchten in unserer Stadt wohnen, gleichzeitig verändert sich auch der Blick auf das, was wir als lebenswert empfinden. Viele der großen Fragen unserer Zeit spielen sich dabei im Kleinen hier vor Ort in der Bezirksverordnetenversammlung ab. Kompromisse müssen immer wieder neu ausgehandelt und gemeinsame Lösungen gefunden werden. Dafür wurden wir von Ihnen gewählt, und wir geben unser Bestes, die in uns gesetzten Vorstellungen, Wünsche und Hoffnungen nicht zu enttäuschen. Gleichzeitig möchten wir Sie auch herzlich dazu einladen, sich selbst ein Bild von den Debatten zu machen – die monatlichen Sitzungen der BVV im Bürgersaal im Rathaus Zehlendorf sind öffentlich und werden zudem auch live ins Internet gestreamt. Auch die meisten Ausschüsse tagen öffentlich (die aktuellen Termine finden Sie hier). Seien Sie dabei!
Mit solidarischen Grüßen,
Ihre
Carolyn Macmillan & Norbert Buchta
Fraktionsvorsitzende