Unsere Themen im November 2024:
· Wie weiter am S-Bahnhof Zehlendorf?
· SPD-Fraktion wehrt sich gegen Kürzungen im Sozialbereich
· Nein zu Gewalt an Frauen
· Energie-Museum retten
· SPD-Fraktion zur Klausur in Quedlinburg
· Adventrätsel in den Sozialen Medien
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Liebe Leserinnen und Leser,
kurz vor der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung schreckte eine Nachricht aus dem Abgeordnetenhaus die Bezirkspolitik auf: Aufgrund von Bedenken des Denkmalschutzes sei die ab 2026 vorgesehene Sanierung und Erweiterung des S-Bahnhofs Zehlendorf abgesagt und alle Planungen auf Null gesetzt worden, so war es in der Zeitung zu lesen. Die SPD-Fraktion reichte daraufhin eine Große Anfrage mit Dringlichkeit für die November-BVV ein, der sich im weiteren Verlauf alle anderen Fraktionen anschlossen. Auch wenn die Beantwortung durch den zuständigen Baustadtrat nicht alle Fragen klären konnte – teilweise standen seine Aussagen im Widerspruch zu den Angaben aus dem Senat – wollen wir uns bemühen, die Situation für Sie einzuordnen.
Beginnen wir mit der grundsätzlichen Frage: Warum überhaupt sanieren? Gibt es nicht zahlreiche Bahnhöfe im Berliner Netz, die noch viel schlimmer aussehen? Ja und nein. Ausschlaggebend ist nicht der optische Zustand, sondern die Statik der Brücke: Bereits in den 1990er Jahren hatte es mehrere Unfälle gegeben, bei denen Lastwagen mit der Brücke kollidiert waren – es wurde geschweißt und genietet, die S-Bahn zum Bummelzug gemacht. Im Jahr 2010 war endgültig Schluss: Ein Kranausleger hatte den Gleistrog so stark verformt, dass die Brücke komplett abgerissen und durch ein Provisorium ersetzt werden musste. Bekanntermaßen hält nichts so lange wie ein Provisorium, erst recht in Berlin – doch dieses hier hat mittlerweile das Ende seiner Lebenszeit erreicht und muss zwingend ersetzt werden.
Da sich die gesamte Bausubstanz in katastrophalem Zustand befindet, wurde beschlossen, nicht nur den stählernen Überbau zu ersetzen, sondern gleich die komplette Brücke einschließlich der Widerlager. Faktisch wird es sich daher bei der Sanierung eher um einen Abriss und anschließenden Neubau handeln – dass beharrlich von einer Sanierung gesprochen wird, hat vor allem rechtliche Gründe: Würde das Endresultat zu sehr vom bisherigen Zustand abweichen, wäre eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich, was nicht nur viel bürokratischen Zusatzaufwand mit sich brächte, sondern auch einen ungewissen Ausgang für das ganze Projekt. Dementsprechend wurde das Ziel ausgegeben, dass der Bahnhof am Ende der Baumaßnahme weitestgehend in seiner heutigen Form wiedererstehen soll, und die Arbeiten damit auf Basis des Bestandsschutzes erfolgen können.
Doch wie weit ist weitestgehend? Fakt ist, dass die Bahn in ihren Planungen von Anfang an einen zusätzlichen Bahnsteigzugang von der Westseite des Teltower Damms aus vorgesehen hat. Hierfür ist eine Verbreiterung – man spricht von „Aufweitung“ – der Brücke erforderlich.
Eine weitere „Aufweitung“ hatte die Senatsverwaltung für den heutigen Zugangstunnel auf der Ostseite angeregt, zudem sollen die beliebten und belebten Geschäfte verschwinden. Genau hier liegt nun der Hase im Pfeffer: „Aufgrund von Denkmalschutzbelangen wurde durch das Land Berlin das Aufweitungsverlangen […] zurückgezogen“, schreibt die zuständige Senatsverwaltung auf Anfrage: „Daher müssen die Planungen […] neu begonnen werden. Dies zieht weitere, umfassende Umplanungen sowie eine zeitliche Neueinordnung […] mit sich“.
Was bedeutet dies nun konkret? Soweit wir erfahren konnten, soll der Westzugang vom Teltower Damm aus wie geplant realisiert werden, einschließlich „Aufweitung“ der Brücke. Auch der von der Bezirkspolitik dringend gewünschte Personentunnel vom Postplatz zur Machnower Straße mitsamt der Aufgänge an den westlichen Enden von Stamm- und Wannseebahnsteig wird nach Lage der Dinge gebaut. Und hier beginnen tatsächlich einmal die guten Nachrichten.
In der ursprünglichen Planung war vorgesehen, den alten Stammbahnsteig zunächst abzureißen, dann einen provisorischen Ersatzbahnsteig mit Zugang ausschließlich in der Machnower Straße zu errichten, diesen später wieder komplett zu entfernen, und erst zu guter Letzt den Durchgang zum Postplatz zu errichten. Die Folge: Während der Bauarbeiten müssten täglich tausende Pendlerinnen und Pendler aus Richtung des Zehlendorfer Ortskerns die Baustelle durchqueren, um dann mit großem Umweg auf den Ersatzbahnsteig zu gelangen. Von der Sinnhaftigkeit dieses Provisoriums – in Anbetracht eines bereits an fast der gleichen Stelle existierenden Bahnsteigs – einmal ganz zu schweigen. Dieses irrwitzige Vorgehen, gegen das sich die SPD-Fraktion immer vehement gewehrt hatte, scheint nun vom Tisch zu sein: Der Tunnel zum Postplatz könnte noch vor Beginn der Bauarbeiten gegraben und der alte Stammbahnsteig in der Bauphase für den Betrieb der S-Bahn genutzt werden. Zudem würde die Verzögerung die Möglichkeit eröffnen, den fest vorgesehenen Wiederaufbau der Stammbahn von Anfang an in die Planungen mit einzubeziehen, anstatt – wie bisher – kurz hintereinander zwei vollständig getrennte Baumaßnahmen durchzuführen.
Ende gut, alles gut? Nun ja. Über die Kosten der in den Sand gesetzten Planungen und die technischen Folgen der Verspätung – wie lange hält die Behelfsbrücke? – ist bislang noch nichts bekannt, beide dürften jedoch erheblich sein. Ärgerlich ist dies vor allem deshalb, weil die Bezirksverordnetenversammlung und ganz besonders unser ehemaliger Baustadtrat Michael Karnetzki schon lange auf genau diese Schwachstellen in der Planung hingewiesen haben. Dies werden wir in den kommenden Monaten – wahrscheinlich Jahren – auch weiterhin und umso lauter tun. Ebenso setzen wir uns für den Erhalt der Geschäfte im östlichen Durchgang ein: Nicht nur vermitteln diese den Reisenden ein Gefühl der Sicherheit, die Gewerbetreibenden fühlen sich zudem auch verantwortlich für „ihren“ Bahnhof. Auf diesen positiven Beitrag sollten wir nicht verzichten, vor allem da – so lesen wir die Aussagen aus der Senatsverwaltung – wohl doch genug Platz für alle Reisenden zur Verfügung stehen wird.
Abschließend möchten wir noch eine Frage beantworten, die im Plenum heiß diskutiert wurde: Welcher Teil des Bahnhofs ist eigentlich „echt alt“? Tatsächlich wurde das ursprüngliche Bahnhofsgebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der heutige Eingang mit Uhrenturm und dem klassizistisch anmutenden Giebel trägt deutlich die postmoderne Handschrift der späten 1980er Jahre. Mehr oder weniger im Originalzustand befindet sich jedoch genau jener Zugangstunnel zu den Bahnsteigen, wegen dem nun der (teilweise) Neustart der Umbauplanung erfolgt. Wenn Sie wissen möchten, wie es dort vor dem Umbau durch die BVG ausgesehen hat, legen wir Ihnen die sehenswerte Dokumentation „Zwischen den Gleisen wächst das Gras“ aus dem Jahr 1981 ans Herz. Bei Minute 35:40 ist der Bahnhof Zehlendorf zu sehen – mehr verraten wir nicht, lassen Sie sich überraschen!
Mit solidarischen Grüßen,
Ihre
Carolyn Macmillan & Norbert Buchta
Fraktionsvorsitzende