Unsere Themen im Dezember 2024:
· Rechtsextremer Angriff auf SPD-Mitglieder
· Antrag zur Zukunft des Kranoldplatzes beschlossen
· Prävention von Kinder- und Familienarmut
· Umbenennung der Treitschkestraße verzögert
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Liebe Leserinnen und Leser,
wie in jedem Jahr hatten wir geplant, diesen letzten Newsletter vor dem Weihnachtsfest zu nutzen, um Ihnen allen glückliche Feiertage und ein gutes und erfolgreiches Neues Jahr zu wünschen. Wir wollten zurückblicken auf erfolgreiche Anträge und angestoßene Initiativen. Kurz gesagt: Es sollte ein reiner „Wohlfühl-Newsletter“ werden.
John Lennon sagte einmal: „Das Leben ist das, was passiert, während wir dabei sind, andere Pläne zu machen.“
Wie hart und unbarmherzig das Leben zuschlagen kann, und wie wenig dann von weihnachtlicher Vorfreude übrigbleibt, mussten eine Genossin und ein Genosse vor wenigen Tagen am Kranoldplatz am eigenen Leib erfahren – eine der beiden ist unsere Fraktionsvorsitzende Carolyn Macmillan. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Abteilung Lichterfelde Ost und Süd hatten die beiden den Vormittag am SPD-Infostand verbracht, waren mit vielen Menschen ins gute Gespräch gekommen, hatten sich Lob und auch Kritik gestellt, Sorgen und Ängsten ebenso gelauscht wie Wünschen und Hoffnungen. Nahbare Politik vor Ort, mitten im Kiez, die die Menschen ernst nimmt und zuhört – so, wie es sein soll.
Nach mehr als zwei Stunden in winterlicher Kälte und Nieselregen wollten sich die beiden – gut erkennbar an ihren roten SPD-Mützen – mit dem Bus auf den Weg nach Hause machen, als zunächst dem einen, dann der anderen von hinten die Mützen vom Kopf gerissen wurden. Noch bevor den Angegriffenen die Situation richtig bewusst wurde, folgten bereits erste Schläge. Der Genosse ging zuerst zu Boden, dann die Genossin, die ihm zu Hilfe eilen wollte. Der bereits wehrlos am Boden Liegende wurde weiter von den vier jugendlichen Angreifern mit massiven Schlägen und Tritten in den Bauch und gegen den Kopf malträtiert, und unserer Fraktionsvorsitzenden hätte wohl das gleiche Schicksal gedroht, wenn nicht in diesem Moment zwei Polizisten den Vorfall bemerkt und sofort Verstärkung angefordert hätten.
Dass die vier jugendlichen Angreifer – laut Polizei 16, 18 und 19 Jahre alt – der rechtsextremen Szene angehören, war für die beiden Angegriffenen von Anfang an klar, und wurde von der Polizei mittlerweile auch bestätigt. Flankiert und angefeuert wurden die Täter von rund 15 weiteren Sympathisanten. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand war die Gruppe aus Sachsen-Anhalt nach Berlin gekommen, um gezielt die gewalttätige Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden zu suchen.
Noch immer sind wir schockiert – nicht allein ob der unvermittelten Gewalt, der hemmungslosen Brutalität, die schlagartig über unseren doch allgemein als so sicher und bürgerlich empfundenen Bezirk hereingebrochen ist. Sondern vor allem, dass sich die vier Neonazis am hellichten Tag, mitten in einer belebten Einkaufsstraße und vor Dutzenden Zeugen so unantastbar fühlten, dass sie nicht nur von hinten einen wehrlosen Mann angriffen, sondern anschließend auch die eintreffende Verstärkung der Polizei: Ein Beamter wurde von einer Glasscherbe im Gesicht verletzt, ein weiterer trug eine Fraktur am Mittelhandknochen davon. Erst nach und nach konnte die Polizei die Situation unter Kontrolle bringen und die vier Täter festnehmen. Alle drei Verletzten konnten das Krankenhaus glücklicherweise im Laufe des Tages wieder verlassen – die körperliche Heilung wird jedoch weit mehr Zeit benötigen, die seelische noch viel länger.
Es war dies leider bei weitem nicht der erste Angriff auf Politikerinnen und Politiker in den vergangenen Monaten. In diesem Fall machten die Täter sehr deutlich, worum es ihnen geht: öffentliches, sichtbares Eintreten für unsere Demokratie zu verhindern. Entsprechend ist für uns auch klar, was wir jetzt tun müssen: Anstatt uns zurückzuziehen und den Rechten unsere Plätze und Straßen, den öffentlichen Diskurs und am Ende das ganze Land zu überlassen, müssen alle Demokratinnen und Demokraten, Politik und Zivilgesellschaft, Vereine, Verbände, Gewerkschaften und Kirchen zusammenstehen und zeigen: Wir sind mehr!
Mehr – viel mehr! – waren bereits am Samstagnachmittag die Gegendemonstranten in Friedrichshain, dem eigentlichen Ziel des verirrten Nazi-Schlägertrupps: Während die rechtsextremen Veranstalter gerade einmal rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Straße brachten, verhinderten fast 3.000 Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft den braunen Aufmarsch.
Auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die parteienübergreifende Solidarität konnten wir in den vergangenen Tagen spüren: Die eMail-Eingänge unserer Fraktion füllten sich ebenso wie die privaten Postfächer im Minutentakt, Telefone liefen heiß. Neben einer riesigen Anzahl von persönlichen Nachrichten der Bürgerinnen und Bürger haben sich auch alle demokratischen Parteien und Fraktionen bei uns gemeldet und/oder in öffentlichen Botschaften ihre Bestürzung über die Tat zum Ausdruck gebracht. Dafür möchten wir uns bei allen Absenderinnen und Absendern von ganzem Herzen bedanken: dieses Gefühl des Rückhalts und der Solidarität bedeutet uns unglaublich viel, und gibt uns die Stärke, auch in den kommenden Wochen wieder an den Infoständen – direkt vor Ort, bei den Menschen, mitten im Leben – zu stehen. Ebenso möchten wir uns für das schnelle und geistesgegenwärtige Einschreiten der Polizei bedanken. Nicht auszudenken, was ohne ihren professionellen Einsatz passiert wäre. Die SPD-Fraktion Steglitz-Zehlendorf wünscht den beiden verletzten Beamten eine rasche Genesung!
Am Ende wollen wir dann doch noch einmal etwas weihnachtlich werden, und einen Wunsch an alle Wahlkämpfenden äußern: Bleiben wir uns unserer demokratischen Verantwortung bewusst, bleiben wir – auch wenn der spontane, innere Reflex vielleicht nach anderem ruft – stets fair, aufrichtig und respektvoll im Umgang miteinander. Machen wir uns – auch wenn es in den kommenden Wochen sicher mitunter heiß hergehen wird – selbst bewusst, dass es unter Demokratinnen und Demokraten keine Gegnerinnen und schon gar keine Feinde gibt, wir führen keine Schlachten und keinen Krieg, streben nicht nach Eroberung oder Vergeltung.
Wäre es nicht viel schöner, wenn stattdessen die eingeübte Praxis aus der Lokalpolitik für alle zum Vorbild werden könnte: Wo jede jeden kennt, und man nach leidenschaftlicher Debatte in der Sitzung noch gerne zusammensteht, um ein Bier, ein Wasser oder zum Jahresabschluss ein Glas Sekt zu trinken? Wo man sich am Infostand gegenseitig beim Aufbau hilft, gemeinsam über ausgefallene Werbegeschenke lacht oder ein konservativer Weihnachtsmann gegen einen sozialdemokratischen Schokokeks getauscht wird? Dass wir uns diesen Zusammenhalt niemals kaputt machen lassen, das wäre wohl das schönste Weihnachtsgeschenk!
Mit solidarischen Grüßen,
Ihre
Carolyn Macmillan & Norbert Buchta
Fraktionsvorsitzende